ArtOral

01. November 2013

Gehörlose absolvieren Kurs bei Klaus Müterthies

Klaus` Klassiker

Es ist Allerheiligen, Feiertag in Nordrhein-Westfalen, und während man im übrigen Gütersloh noch schlaftrunken am Frühstückstisch saß, waren im Art Oral Center acht Augenpaare gespannt auf einen bekannten Referenten gerichtet. Die Ohren hatte Gebärdendolmetscherin Karen Wünsche gespitzt. Sie übersetzte den gehörlosen die Erklärungen von Klaus Müterthies. Das bedeutet hohe Konzentration der acht Gäste: Einerseits dürfen sie die Gebärden von Karen Wünsche nicht verpassen, anderseits müssen sie Klaus auf die Finger sehen, um seine Technik zu erlernen. Der Einsatz ist also doppelt hoch. Allerdings: „ Wir können um einiges konzentrierter und ungestörter arbeiten als unsere hörenden Kollegen", sagt Andre Thorwarth, der diesen Tag mit organisiert hatte.
André ist Zahntechnikermeister mit einem eigenen Labor in Cuxhaven. Er betreibt auch die Website Deaf Dental Workshop (www.deaf-dental-workshop.de), eine Spezialseite für gehörlose und schwerhörige Zahntechniker. Im dreijährigen Rhythmus initiiert er das Deaf-Dental-Forum in Cuxhaven. André hatte vor einiger Zeit einen Kurs bei Klaus Müterthies besucht. Dieser fand das Engagement so beeindruckend, dass er spontan diese Tagesschulung angeboten hatte.
Die untere Frontzahnbrücke ist ein Klassiker im Müterthies-Programm. Die Urform wurde noch als VMK-Brücke mit VMK 68 gebrannt. Inzwischen ist Zirkondioxid als Gerüstmaterial ins Portfolio bei Art Oral eingezogen. Im eigens eingerichteten Zirkonzahn Design Center wird selbst designt, gefräst und gesintert. Zwischendurch meldete sich Enrico Steger von einer Vortragstour, die ihn nach Wolfsburg geführt hatte. Müterthies lud in kurzerhand ein, und eine Stunde später stand der Südtiroler in der Tür und schüttelte jedem Teilnehmer die Hand. Unverhofft kommt eben oft.

Was bleibt, sind die Zähne

"Die Materialien ändern sich, ebenso die Verarbeitungsweisen; was bleibt, sind die Zähne", sagte Müterthies. "Zähne sehen immer noch wie Zähne aus, deshalb müssen unsere Verblendungen immer noch so beschaffen sein, dass sie nahtlos ins Gesamtbild passen. Die Form und Körperhaftigkeit sind dabei ebenso wichtig wie die Farbe", so Müterthies, als er mit der Schichtung begann. Natürlich achtet er darauf, dass die vor­ herrschende Farbe im Patientenmund stimmt. Jedoch haben natürliche Zähne unterschiedlich farbige Tendenzen. Eckzähne sind "sonniger", nicht dunkler oder gar gelber als die Front, Schneidezähne haben stärker ausgeprägte Schmelzleisten als Prämolaren oder Molaren; und besonders die Oberflächentexturen bestimmen maßgeblich den Gesamteindruck.

Die Teilnehmer schichteten ihre Brücken nach Müterthies' Vorbild: Die Eckzähne mit einer warmen Tendenz zum Zervikalrand der Übergangsbereich zur Schneide mit einer Mischung aus Schneide und Dentin; darüber dann der Aufbau der Schneidekante mit transparenten Keilen zwischen dem Mamelons. Es wurde ein weißlicher Bereich eingeschwemmt, der oft als waagerechtes Band in Erscheinung tritt. Ebenso ein weißlicher Schmelzüberzug an einzelnen Zähnen. Für diejenigen, die eine abradierte Schneidekante mit sichtbarem Dentinkern reproduzieren wollten, demonstrierte Müterthies, wie sich die Kante aufstechen lässt, um sie dann bei der Korrekturschichtung mit farbkräftigem Dentin zu füllen. Mit derselben Technik, aller­ dings mit einem Längsschnitt, legte er einen hellen- oder auch dunklen- Craqueleésprung an.
Großes Augenmerk legte Müterthies auf die Lingualflächen: "Hier zeigt sich, dass Zähne keine potemkinschen Dörfer sind und nur aus schönen Facetten bestehen. Der Zahntechniker weiß sehr wohl, dass es immer der ganze Zahn ist, den wir reproduzieren."
Nach dem ersten Brand zeigte sich, dass es manchen Zahntechnikern schwerfällt, sich vom Vorbild der eugnathen Zahnstellungen zu befreien. Sicherlich werden solche Zahnstellungen von vielen Zahnärzten und Patienten gefordert, , obwohl es doch gerade die kleinen Unregelmäßigkeiten und Anomalien sind, die ein unverwechselbares Aussehen hervorrufen . Hier bedarf es dann nicht nur der perfekten Beherrschung der Technik, sondern auch der besonderen Qualitäten eines Klaus Müterthies im Umgang mit den Patienten.

Patientenkontakt

Patienten beim Zahntechniker in der Beratung? Ein großes Fragezeichen stand in den meisten Gesichtern der Teilnehmer zu lesen. Sicherlich eine besondere Schwierigkeit für gehörlose Zahntechniker, aber auch hier möglich, wie Andre Thorwarth bestätigte. Für Müterthies ist es in­ des ganz klar: "Ich kann doch nur Zahnersatz für einen Patienten anfertigen, den ich vor mir sehe, oder zumindest kennengelernt habe." Wie recht er doch hat! Gleichz e itig ist es eine dringende Ermahnung an alle Zahntechnikerkollegen, sich nicht in die Ecke drängen zu lassen, damit andere Beteiligte Früchte ernten können, die ihnen nicht zustehen.
Die Korrekturschichtung erfolgte sofort nach dem ersten Brand, ohne irgendwelche Schleifkorrekturen. Die Inter­ dentalräume wurden farblich kräftiger aufgefüllt, Schmelz­ leisten mit dunklem Schmelz intensiviert, die aufgerissenen Schneidekanten mit Sekundärdentin aufgefüllt und lingualflächen farblich hervorgehoben. Nach dem zweiten Brand begannen die Schleifarbeiten.
Hier achtete Müterthies darauf, dass die Zähne naturgemäß an­ muten. Ohne eine naturgemäße Oberfläche haben wir lediglich eine bunte Reihe von zahnähnlichen Gebilden; erst die Form und die Textur ergeben den schönen Zahn.
Beim finalen Bemalen der Brücken verwendete Müterthies keine Glasurmasse, sondern nur mit Malfarbenflüssigkeit angemischte Farben. Nach dem Brennen ließ sich der individuelle Glanz entweder per Handstück und Polierpaste oder an der Poliereinheit mit feinem Bimspulver aufbringen.
Die Ergebnisse konnten sich sehen lassen! Die Zertifikate, die Müterthies am Ende übergab, waren durchaus angemessen für die besonderen Um- stände, unter denen die Kollegen sich die Seminarinhalte erarbeiten mussten. Die "Kursbrücke", die Müterthies vorgearbeitet hatte, wurde am Ende per Hütchenspiel unter den Teilnehmern verlost

Zt. Karl-Heinz Georgi, Fachredaktion Dental-Labor

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